Von der Wasserkur zum Waterboarding

Verhörmethoden einst und jetzt

„Das ist die Art, wie wir ihnen die Wasserkur verpassen: Leg sie auf den Rücken, auf jeder Hand und auf jedem Fuß steht ein Mann, dann klemm ihnen einen runden Stock in den Mund und füll ihnen Wasser in Mund und Nase, und wenn sie nicht nachgeben: einen weitere Füllung. Sie schwellen an wie toads. Ich kann dir sagen, das ist eine schreckliche Folter.“ Ende des Zitats. Eine Szene aus Abu Ghraib oder aus Guantanamo? Die Vermutung läge nahe. Doch die hier von dem US-Soldaten A.F. Miller beschriebene Folterszene, Walter Kramer hat sie dieser Tage in einem Aufsatz der Reihe Annals of American History des Magazins „The New Yorker“ aus aktuellem Anlass zitiert, stammt aus dem Jahre 1901. US-amerikanische Soldaten praktizierten diese Verhörmethode auf den Philippinen, die die USA damals, gegen den erbitterten Widerstand der gerade aus spanischer Kolonialherrschaft befreiten Einwohner, zu annektieren gedachten.

„The Water Cure“ ist Kramers Aufsatz überschrieben, die Wasserkur. Das war die launige Bezeichnung, die die GI’s für die damals gängige Praxis benutzten, die Ähnlichkeit zum jetzt von den US-Amerikanern gern angewandten „Water Boarding“, dem simulierten Ertränken eines Gefangenen – ein Zufall? Es gibt hier allerdings einen nicht ganz unwesentlichen Unterschied zu vermerken. Damals auf den Philippinen, vor etwas mehr als einem Jahrhundert, stellte die „Wasserkur“, darauf verweist Kramer ausdrücklich. einen eindeutigen Verstoß gegen amerikanisches Recht dar. „Militärische Notwendigkeit erlaubt keine Grausamkeit – auch nicht die Folter zum Erzwingen von Geständnissen“, zitiert Kramer aus einer damals gültigen Vorschrift. Auch gab es, nachdem die Methode „Wasserkur“ in der US-amerikanischen Öffentlichkeit bekannt wurde, auf ausdrücklichen Wunsch des Präsidenten der Vereinigten Staaten, McKinley,in wenigstens einem Fall eine militärgerichtliche Untersuchung. Ein Captain Glenn, verantwortlich für die mehrfache Anwendung der Wasserkur bei dem gefangenen Philippino Ealdama, musste sich eine Woche lang vor Gericht verantworten. Im Fall Ealdamas war eine verschärfte Form der Folter angewandt worden: nachdem er beim ersten Mal nicht gestanden hatte, wurde das mit Gewalt eingeflößte Wasser aus ihm herausgepresst, indem ein Soldat mit dem Füßen so lange auf seinem Bauch herumsprang, bis der wieder leer war, und die Folter begann aufs neue. Beileibe kein Einzelfall auch diese Praxis. Glenn’s Strafe war lächerlich: ein Monat Suspendierung von Dienst, und 50 Dollar Geldstrafe. Das Opfer Ealdama kam, auf der Grundlage der mit der Folter erpressten Aussage für zehn Jahre ins Arbeitslager.

Heute haben die Anwender der neuen Form der Wasserfolter, des Water Boarding, den allerhöchsten Segen des Präsidenten der Vereinigten Staaten. Sie sei ein außerordentlich nützliches Instrument im Kampf gegen den Terror. Was der Präsident nicht sagte, was aber so manche seiner Landsleute sicherlich empfinden, wurde anlässlich der Anwendung der „Wasserkur“ auf den Philippinen vor hundert Jahren noch offen ausgesprochen: Die inhumanen Praktiken unsrer Soldaten sind nichts anderes als der Reflex auf den barbarischen Zustand der Bewohner eines semizivilisierten Landes, auf asiatische Grausamkeit. So dachte auch Präsident Theodor Roosevelt, der dem im September 1901 ermordeten McKinley im Amt folgte. Doch auf einer Bestrafung jeden Akts der Barbarei, begangen durch amerikanische Militärs, bestand auch er.

Jetzt ist, zum ersten Mal seit der Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und der Verabschiedung der Bill of Rights, die Folter in einer Demokratie der westlichen Welt von einem Staatschef zur legalen Praxis erhoben worden. Angewandt wurde die Folter, auch im ach so zivilisierten alten Europa, immer wieder, machen wir uns nichts vor. Zum Beispiel im französischen Algerienkrieg. Und da war es auch verboten, über die Folter zu berichten. Aber es fand sich ein Philosoph namens Jean-Paul Sartre, um das Folter-Tagebuch „La Question“ von Henri Alleg, des Verbots ungeachtet, zu veröffentlichen und so eine breite öffentliche Debatte über die Folter in Frankreich in Gang zu setzen. Ob Sartres mehr oder weniger prominenten Schülern heute zu dem Foltererlass des US-Präsidenten etwas einfällt? Da sind wir mal gespannt.

NRhZ vom 02.04.2008

Der Beitrag wurde ausgestrahlt im WDR3 Tageszeichen am 17.03.2008 um 19:15