Griechische Opfer der NS-Okkupation klagen vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg auf Entschädigung – ein Prozeß mit möglicherweise weitreichenden Folgen.
Nach einem spektakulären Rechtsstreit sah das nicht gerade aus, was am 28. September 2006 vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft in Luxemburg, dem EuGH, zur mündlichen Verhandlung anstand. »Die Rechtssache Irini Lechoritou u.a. gegen die Bundesrepublik Deutschland – Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Patras« – stand auf der Tagesordnung. Medienpräsenz und Presseecho waren entsprechend gering. Und doch ist das Verfahren mit dem Aktenzeichen C 292/06 von einiger Bedeutung. Es könnte am Ende um einige hundert Millionen Euro Schadensersatz für lange vergangenes Unrecht gehen, aber auch um Rechtsfolgen für die Zukunft, europäische Nato-Einsätze betreffend, zum Beispiel.
Was war der Anlaß des Verfahrens? Am 13. Dezember 1943 hatten deutsche Truppen ein Kriegsverbrechen in der Kleinstadt Kalavryta in der nördlichen Peloponnes begangen, bei einer sogenannten »Sühnemaßnahme« für eine Partisanenaktion. 679 männliche Einwohner ab 13 Jahre wurden von Einheiten der 117. Jägerdivision erschossen, der Ort dem Erdboden gleichgemacht. Eins von Dutzenden ähnlicher in Griechenland begangenen Wehrmachtsverbrechen. Einwohner von Ka-lavryta haben, wie viele andere griechische Opfer auch, nach Abschluß des Zwei-plus-Vier-Vertrages im September 1990, auf Schadensersatz geklagt – vor dem nach ihrer und ihrer Anwälte Ansicht örtlich zuständigen griechischen Gericht. In zweiter Instanz hat das Oberlandesgericht in Patras das Verfahren wegen der offenen Frage der gerichtlichen Zuständigkeit zunächst ausgesetzt; über die soll der EuGh jetzt vorab entscheiden.
Es geht dabei zum einen um die Frage, ob das Brüsseler Abkommen von 1968 »Über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen« (Eu-GVÜ) hier anwendbar sei. Einfacher ausgedrückt: ob ein griechischer Staatsbürger Schadensersatz für unerlaubte oder strafbare Handlungen deutscher Besatzungstruppen vor einem griechischen Gericht einklagen kann. Zum anderen geht es darum, ob das Prinzip der sogenannten Staatenimmunität der Durchsetzung eines solchen Anspruchs vor einem griechischen Gericht entgegensteht.
Es ist leicht zu erkennen: Wenn der durch eine unerlaubte hoheitliche Handlung eines Staates (in unserem Fall: durch ein Kriegsverbrechen) geschädigte Mensch (in der Justiz auch »natürliche Person« genannt) sich um Schadensersatz bemüht, betritt er ein für den Laien undurchdringliches Gestrüpp aus konkurrierenden Vorschriften des internationalen Privatrechts, des innerhalb der EU durch das Brüsseler Abkommen kodifizierten Zivilrechts sowie des allgemeinen internationalen Völkerrechts (und hier zum Beispiel der gewohnheitsrechtlichen Staatenimmunität). Auch die Genfer Konvention und die Haager Landkriegsordnung sowie die Europäische Menschenrechtskonvention kommen da ins Spiel. Diese juristische Unordnung eröffnet dem Richter eine Fülle von Entscheidungsmöglichkeiten, mal im Sinne des Bürgers, mal (und dies fast immer) im Sinne der Staatsräson, das heißt: gegen ihn. Am Ende ist Recht nur zu oft ein Synonym für das Recht des Stärkeren.
Die Vertreter der griechischen Kläger, Joachim Lau und Joannis Stamoulis, sagen: Nach dem internationalen Privatrecht sei auf den vorliegenden Fall das Recht des Tatorts anzuwenden, es handle sich um einen zivilrechtlichen Anspruch, für den das Eu-GVÜ gelte. Das bedeutet: Für die Entschädigung der Opfer von Kalavryta wäre das OLG Patras zuständig. Auch sollte das völkerrechtliche Prinzip der Staatenimmunität bei Kriegsverbrechen keine Geltung haben.
Der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland, Professor Burkhard Heß sah das, wie zu erwarten, anders. Er eröffnete sein Plädoyer mit einer jener Standardformeln aus dem Stehsatz für Trauerreden deutscher Staatsvertreter, wie sie seit dem Besuch des Altbundespräsidenten Johannes Rau in Kalavryta am 13. Dezember 2001 bei Gedenkfeiern für Wehrmachts- und SS-Opfer mittlerweile zum festen Rederepertoire gehören. »Zunächst ist festzuhalten, daß die Bundesregierung das tiefe Leid bedauert, das deutsche Soldaten den Klägern und ihren Familien zugefügt haben. Alle Regierungen der Bundesrepublik Deutschland waren und sind sich der großen Leiden des griechischen Volkes unter der deutschen Besatzung während des Zweiten Weltkrieges bewußt und haben wiederholt ihr tief empfundenes Mitgefühl für die Opfer derartiger Kriegsverbrechen ausgedrückt.« Von der bleibenden moralischen Verantwortung (die bekanntlich nichts kostet) sei jedoch »die rechtliche Dimension einer Einstandspflicht für derartige Kriegsgreuel« zu trennen. Nach geltendem Völkerrecht könne ein Staat nicht von natürlichen Personen auf Entschädigung für Kriegshandlungen verklagt werden, die seine Truppen im Gebiet des Gerichtsstaates begangen haben. Vielmehr müsse Deutschland für die während der Besatzungszeit vorgenommenen Handlungen Immunität gewährt werden.
Das Gewohnheitsrecht der Staatenimmunität ist für Heß ein hohes Rechtsgut. Mit seinen Worten: »Die Immunität schützt die völkerrechtliche und politische Handlungsfähigkeit der Staaten, indem sie diese vor Gerichtsverfahren im Ausland abschirmt, die deren politische und finanzielle Selbstbestimmung beeinträchtigen.« Worin diese Beeinträchtigung bestehen könnte, steht nicht zwischen den Zeilen, sondern in einer ganzen Schwadron von Fußnoten, die mit wenigen Ausnahmen Regreßforderungen natürlicher Personen für Kriegsschäden vor verschiedensten Gerichten betreffen. Will sagen: Beeinträchtigt wäre die politische und finanzielle Selbstbestimmung der Bundesrepublik Deutschland, wenn, beispielsweise, die bei der Verteidigung deutscher Interessen am Hindukusch durch unerlaubte Handlungen eintretenden Kollateralschäden zu individuellen Schadensersatzforderungen unbeteiligter Zivilisten führen.
Und Heß fährt fort: »Die Staatenimmunität sichert dabei den Vorrang der völkerrechtlichen Streitbelegung derartiger Ansprüche ab.« Der ergibt sich für ihn daraus, daß es sich bei Kriegshandlungen, auch Kriegsverbrechen aller Art, um hoheitliche Akte handle, die sich der zivilrechtlichen Behandlung entzögen. Das Völkerrecht aber (das sagt ein Vertreter eines Völkerrechtssubjekts, sprich: einer Regierung, natürlich nicht) ist traditionell ein Recht der Stärkeren und der Sieger, es gibt dem geschädigten Bürger eines besiegten oder eines schwächeren Landes in den seltensten Fällen eine Chance auf Gerechtigkeit.
Im Fall Griechenland (im Prinzip nach der Niederlage des Deutschen Reiches 1945 theoretisch ein Siegerstaat, aber ein sehr kleiner) wurde der Streit um Entschädigung für die Besatzungsverbrechen, völkerrechtlich beispielhaft, wie folgt beigelegt: Nachdem die reparationsfähigen griechischen Kriegsschäden zunächst auf der Pariser Reparationskonferenz von 1945 auf sieben Milliarden Dollar beziffert worden waren und Griechenland lediglich Güter im Gegenwert von 25 Millionen Dollar erhalten hatte, wurde diese Forderung (wie die aller anderen Gläubigerländer auch) im Londoner Schuldenabkommen (LSA) von 1953 auf unbestimmte Zeit gestundet (»bis zur endgültigen Regelung der Reparationsfrage«, wie es hieß).
1960 schloß Griechenland aber, wie viele andere ehemals deutsch besetzte Länder auch, ein Separatabkommen mit der Bundesrepublik Deutschland über eine einmalige Zahlung von 115 Millionen DM, bestimmt für eine begrenzte Gruppe von NS-Opfern. Gemeint waren von deutscher Seite: Opfer rassistischer und politischer Verfolgung. Vornehmlich Holocaust-Überlebende und griechische KZ-Opfer sollten abgefunden werden. Das war bis heute alles. Kurz: Die Bundesrepublik Deutschland ist in der Entschädigungs- und Reparationsfrage mit dem Völkerrecht nicht nur in Griechenland sehr gut gefahren.
Mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag vom September 1990 ist nach Ansicht vieler Gläubiger die Stundung der Weltkriegsschulden nach dem LSA vorbei. Doch die Bundesregierung weigert sich beharrlich, über diese Frage überhaupt nur zu verhandeln, jedenfalls mit den Griechen. Da auch die griechischen Regierungen bis heute nicht dazu bereit waren, für ihre geschädigten Staatsbürger den Weg des Völkerrechts weiter zu beschreiten, wählten diese den individuellen Klageweg. Als erste waren die Bürger der Kleinstadt Distomo bei Delphi erfolgreich. Hier hatte eine Einheit der Waffen-SS ein Gemetzel angerichtet, das selbst den kommandierenden General Felmy entsetzte und das später als einer der Urteilsgründe im Nürnberger Südostprozeß eine Rolle spielen sollte. Vor allem Frauen und Kinder waren dem Massaker zum Opfer gefallen. Während eine Klage der Familie Sfoundouris aus Distomo in Deutschland am Ende vom Bundesverfassungsgericht abgewiesen wurde, war eine von Rechtsanwalt Ioannis Stamoulis vertretene Sammelklage vor griechischen Gerichten erfolgreich.
Der oberste griechische Gerichtshof, der Areopag in Athen, bestätigte das Urteil des OLG Livadia, das den Opfern eine Entschädigungssumme von insgesamt 21 Millionen Euro zugesprochen hatte. Und als die Bundesregierung sich weigerte zu zahlen, pfändeten Gerichtsvollzieher in deutschem Staatsbesitz befindliche Immobilien in Athen und Thessaloniki, darunter das Haus, in dem das Goetheinstitut seinen Sitz hat. Eine Intervention der griechischen Regierung verhinderte indessen, aus Gründen der Staatsräson, die Versteigerung. Die Regierung bediente sich dabei einer gesetzlichen Regelung, nach der im Falle einer Pfändung ausländischen Staatseigentums die Genehmigung des Justizministers erforderlich ist, eine Regelung, die so nur noch in Haiti gilt.
Anschließend manipulierte die Regierung mit Hilfe einer (durch Kuhhändel mit der Oppositionspartei Nea Dimokratia im Parlament durchgesetzten) Verfassungsänderung die Zusammensetzung des Areopags, um eine weitere Entscheidung zugunsten der Kriegsopfer zu verhindern. Die unappetitlichen Details dieses Deals waren in allen griechischen Zeitungen zu lesen, ohne Folgen für das beteiligte politische Personal. Das nächste Entschädigungsurteil des Gerichtshofs fiel dann auch anders aus als das erste, der erste Senat des Areopags bejahte nun in einer anderen Sache mit knapper Mehrheit die Staatenimmunität, so daß die Anrufung eines Obersten Sondergerichts erforderlich wurde, dessen Zusammentreten in solchen Fällen von der Verfassung vorgesehen ist. Und das entschied ebenfalls im Sinne der Bundesrepublik Deutschland: Das Gewohnheitsrecht auf Staatenimmunität gelte auch im Falle von Kriegsverbrechen.
Damit mochte sich das OLG Patras aber nicht abfinden. Die besondere Rechtsordnung, die sich die EU-Staaten gegeben haben, sei stärker als das internationale Recht; sie sehe ein Vorrecht der Staatenimmunität für die einzelnen EU-Staaten untereinander nicht vor. Sie wolle im Gegenteil einen einheitlichen Rechtsraum schaffen; das sei mit dem Gedanken der Staatenimmunität unvereinbar. Ansprüche aus Staatshaftung seien schon jetzt von mehreren Gerichten in verschiedenen Ländern der EU auf der Grundlage der Eu-GVÜ als zivilrechtliche Ansprüche behandelt worden. Sollten nicht auch die Ansprüche von Opfern der Wehrmachtsverbrechen in Griechenland genauso behandelt werden? Diese Frage hat das OLG Patras dem EuGH vorgelegt, der unbestritten die alleinige Zuständigkeit besitzt, Bestimmungen des EU-Rechts auszulegen.
Die von der griechischen Regierung um ihren juristischen Sieg geprellten Besatzungsopfer sehen einstweilen keinen anderen Weg, als ihren Rechtsanspruch außerhalb Griechenlands zu vollstrecken, nämlich in Italien. Rechtsanwalt Joachim Lau versucht zur Zeit, die Vollstreckungstitel der Bürger von Distomo in Italien durchzusetzen, das Verfahren geht in Florenz in die 2. Instanz. Wird die Vollstreckbarkeit des Titels von den italienischen Gerichten anerkannt, dann könnten die Bürger von Distomo anstelle des Athener Goetheinstituts am Ende eine in deutschem Staatsbesitz befindliche Villa in der Toskana pfänden. Falls die Bundesrepublik nicht zahlt.
Parallel zum Verfahren von Distomo haben zahlreiche weitere griechische Besatzungsopfer vor griechischen Gerichten geklagt. Diese Verfahren wurden jedoch nach dem Spruch des Sondergerichtshofs sämtlich einstweilen blockiert, bis zu einer Entscheidung des EuGH. Was die Bundesregierung allerdings von einer für die griechischen Kläger positiven Entscheidung in Luxemburg mehr als die Haftung für vergangene Untaten fürchtet, ist etwas ganz anderes. Zwar malte Heß die Schreckensvision einer neuen Klagewelle von Weltkriegsopfern aus, die mögliche Schadenssumme liege im Milliardenbereich. Doch da wird wohl kräftig übertrieben – haben doch die meisten ehemals deutsch besetzten EU-Mitgliedsstaaten schon in den sechziger Jahren Pauschalabkommen über Kriegsentschädigungen mit Bonn abgeschlossen, die alle weiteren individuellen Schadensersatzansprüche ausschließen. Wovor man in Berlin vor allem Angst hat – und damit steht die Bundesregierung nicht allein – , ist die Aussicht, für zukünftige Kriegsverbrechen zur Kasse gebeten zu werden, für zu erwartende »Kollateralschäden« bei allerlei »robusten« Einsätzen der Nato beispielsweise – eine bedrohliche Perspektive.
Diese mögliche »Breitenwirkung des Ausgangsfalles« malte Heß am Beispiel bereits anhängiger Verfahren aus. Er erwähnte Amtshaftungsklagen wegen des Nato-Luftangriffs in Vavarin während des Kosovo-Kriegs und wegen Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention im Irak. Für Joachim Lau als Vertreter der Opfer von Kalavryta wäre gerade diese »Breitenwirkung« ein über die Entschädigung seiner Mandanten hinausweisender Erfolg, im Sinn der Generalprävention.
Dennoch hält man es in Berlin eher für unwahrscheinlich, daß die Luxemburger Richter an der (für die kriegführenden Nato-Staaten so komfortablen) herrschenden Rechtslage etwas ändern werden. Haben sich doch auch die Bündnispartnerländer Italien und Niederlande vor dem Gericht für den juristischen Status quo ausgesprochen (wenn auch nur schriftlich), ebenso die Anwältin der Europäischen Kommission. Lediglich Polen plädierte im Sinne der griechischen Kläger, aus diesem Land könnte also noch am ehesten mit neuen Entschädigungsklagen wegen Okkupationsverbrechen gerechnet werden.
Und Griechenland? Nachdem eine liebedienerische Athener Regierung und ein letzten Endes nur der Staatsräson, weniger den Bürgern verpflichteter Justizapparat den Klägern von Kalavryta und Distomo den innergriechischen Rechtsweg versperrt haben, hat Berlin von Griechenland nichts Arges mehr zu erwarten, auch wenn Staatspräsident Karolos Papoulias bei seinem Berlin-Besuch im September mit der Äußerung gegenüber Angela Merkel zitiert wurde, daß die Frage der Entschädigung der Opfer des deutschen Besatzungsterrors weiter offen bleibe. Doch Athen hat bis heute nicht einmal die Erstattung einer Zwangsanleihe aus der Besatzungszeit gerichtlich eingefordert, für deren Rückzahlung sich sogar der »Führer« verbürgt hatte und deren Gegenwert nach heutiger Kaufkraft mit knapp fünf Milliarden Euro beziffert wird.
In Luxemburg wird das Verfahren mit dem Aktenzeichen C 292/06 am 8. November mit dem Plädoyer des Generalanwalts fortgesetzt, eine Entscheidung wird für das Frühjahr 2007 erwartet. Wer weiß – vielleicht verstehen sich ja ein paar couragierte Richter in Luxemburg dazu, den Bürgerrechten eine Bresche zu schlagen und Einschränkungen der Staatenimmunität im Fall von Kriegsverbrechen zu beschließen. Vorsichtige Versuche, Ausnahmeregelungen zu schaffen, wenigstens für Kriegsverbrechen, hat es schon in verschiedenen Ländern gegeben. Daß im 21. Jahrhundert das Kriegsverbrechen geächtet und grenzüberschreitend verfolgbar wird (wenigstens formell; es sei denn, Großmächte wie die USA sind die Täter), während die kriegführenden Staaten (so sie siegreich sind) vor Pflicht zum materiellen Regreß für die Folgen kriegerischer Exzesse geschützt bleiben, kurz: Staatenimmunität für Staatsverbrechen – das ist nicht nur für gewöhnliche Sterbliche, sondern auch für viele Richter heute ein schwer hinnehmbarer Zustand.
So hat der Columbia District Court im Jahr 1994 dem Holocaust-Überlebenden Hugo Princz, der gegen die Bundesrepublik geklagt hatte, in einem wegweisenden Urteil Schadensersatz zugesprochen und die Staatenimmunität für NS-Verbrechen verneint. Zwar hat der US Court of Appeals das Urteil aufgehoben, doch ist die Richterin Wald in einem vielbeachteten Minderheitenvotum von der Verwirkung der Immunität ausgegangen, wenn ein Staat fundamentale Grundsätze der zivilisierten Welt verletzt.
Obwohl die Bundesrepublik Deutschland in diesem Verfahren nicht unterlag, war sie am Ende zur Zahlung von 2,1 Millionen Dollar für bisher nicht entschädigte verfolgte Juden in den USA bereit. Drohende Sammelklagen dort waren es auch, die zur Einrichtung jenes Fonds geführt haben, aus dem noch lebende ehemalige Zwangsarbeiter heute wenigstens symbolisch entschädigt werden. Der Hamburger Völkerrechtler Norman Paech sah sich durch diese Teilerfolge in der Auffassung bestätigt, daß einer politischen Lösung der Vorzug gegeben werden solle. In der Zeitschrift »Kritische Justiz« (3/99) empfahl er, die Entschädigung für NS-Verbrechen nicht den Gerichten, sondern der politischen Entscheidung von Regierung und Parlament zu übertragen. Und er gab der Hoffnung Ausdruck, die damals noch anhängige Klage der Familie Sfoundouris aus Distomo werde am Ende die Bundesregierung auf den allein angemessenen Weg der Verhandlungen mit der griechischen Regierung und den Opfern bringen. Die Hoffnung hat sich nicht erfüllt.
Konkret 11/2006
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