Trotz drohenden Bankrotts setzt Griechenland wahnwitziges Wettrüsten fort
Wirklich überraschend war das ja für einigermaßen aufmerksame Zeitgenossen nicht, was das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI jetzt in seinem neuesten Bericht geschrieben hat: dass die deutschen Waffendealer weltweit die Nummer drei sind, und das seit der Regierungszeit Schröder-Fischer, das ist nichts Neues. Dass die deutschen Waffenexporte sich im letzten Jahrfünft verdoppelt haben, hat den einen oder anderen aber doch aufgeschreckt. Wer in der EU wiederum der beste Kunde des Rüstungsexporteuropameisters Deutschland ist, das wissen NRhZ-Leser schon länger: das fast bankrotte Griechenland, für das man jetzt in Brüssel ein finanzielles Fangnetz knüpft.
SIPRI berichtete, dass nur die Türkei noch mehr Kriegsware bei den deutschen Waffenschmieden kauft und 14 Prozent der deutschen Produktion absorbiert (13 Prozent gehen nach Griechenland), also dass mehr als ein Viertel dieser Ware im Spannungsgebiet Ägäis verdealt wird, und das steht jetzt endlich auch in der großen überregionalen Presse. Hier und da ruft’s sogar ein Stirnrunzeln hervor.
Doch während in Brüssel über einen EU-Notfallplan für das hoch verschuldete Griechenland beraten wurde, gingen am letzten Wochenende, durchaus nicht geheim, aber betont unauffällig, auch die Beratungen der Waffengroßdealer Deutschland und Frankreich mit dem fast insolventen EU-Partner weiter. 4,5 Milliarden Euro, das hat sich Premier Papandreou vorgenommen, sollen den kleinen Leuten im Lauf dieses Jahres abgenommen werden – weniger Rente, weniger Gehalt, dafür mehr Mehrwertsteuer und sonst noch allerlei hat er sich einfallen lassen, eine Konjunkturbremse dritten Grades. Mit den gesparten 4,5 Milliarden Euro will Papandreou, so sagte er, die Verschuldungsquote senken.
Doch hat er über diese 4,5 Milliarden in aller Stille längst schon wieder anderweitig verfügt – zur klammheimlichen Freude seiner Freunde in Berlin und Paris. Dort sollen diese Milliarden aus dem Säckel des kleinen Mannes nämlich schon bald landen – bei der französischen Waffenschmiede DCNS und bei Thyssen-Krupp zunächst, über die kleineren Rüstungsprojekte (neue Kanonenrohre für die griechischen Leos beispielsweise) ist noch nicht alles bekannt geworden; rund 80 Verträge werden im nationalen griechischen Sicherheitsrat KYSEA noch diskutiert. Über die Bestellung der sechs Fregatten vom Typ FREMM (Frégate Multi-Mission) hat die NRhZ schon berichtet, da gehen 2 Milliarden nach Paris. Und jetzt fiel auch die Entscheidung für die U-Boote der Klasse 214 mit supermodernen Brennstoffzellenantrieb. Zwei Stück werden erst einmal angekauft, nachdem der ursprüngliche Vertrag über zunächst vier dieser Boote geplatzt war, unter noch nicht ganz geklärten Umständen, und Thyssen-Krupp seinen griechischen Werft-Ableger Skaramangas an die Firma Abu Dhabi Mar verkauft hat.
Warum Griechenland die superteuren submarinen Waffensysteme jetzt so dringend braucht? Der Nachbar Türkei hat auch bald welche, sechs Stück baut man dort in Lizenz. Und auch auf dem U-Boot-Sektor stets gleichzuziehen, das hat seit 1886 Tradition an der Ägäis, als der legendäre griechische Waffenschieber Vassilis („Sir Basil“) Zaharoff die verfeindeten Türken und Griechen kurz nacheinander mit den ersten U-Booten der Welt belieferte, ein Geschäftsprinzip, das den Kleinganoven aus Stambul zum Milliardär machen sollte.
Noch offen ist, wann Papandreou den im Jahr 2001 von seinem Vorvorgänger Simitis noch mit Gerhard Schröder und Josef („Streetfighter“) Fischer ausgehandelten Kauf von 60 Eurofightern zum Abschluss bringen wird, ist vorläufig noch offen – oder ob vielleicht doch Paris mit dem Angebot der Jetfighter vom Typ Rafale zum Zuge kommt. In jedem Fall werden die für 2010 vorgesehenen Ersparnisse von 4,5 Milliarden Euro wohl nicht reichen, um die aktuellen Wünsche des Athener Verteidigungsministeriums zu befriedigen – geschweige denn zum angekündigten Schuldenabbau.
Deutsch-griechisches Rüstungsbusiness as usual also, weiterhin, und der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold, findet nichts Verwerfliches dabei, schließlich ist Griechenland ein NATO-Land, und sein Gegenüber am anderen Ufer der Ägäis auch, das hat die SPD schon immer so gesehen, und Arnold weiß: das wissen die Leute noch. Bei den Grünen spekuliert man auf die Vergesslichkeit der potenziellen Wählerinnen und Wähler, die Grüne Roth fordert jetzt auf einmal ein Mitspracherecht des Parlaments bei Rüstungsexporten, welche Chuzpe! Was das Mitspracherecht der Grünen wert war, als Rot-Grün noch an der Macht war, ist aber unvergessen – es war schließlich der grüne Streetfighter, der in Kohabitation mit dem Genossen der Bosse den Waffendealern erst richtig Beine machte, auch dem Konsortium Eurofighter.
In der Türkei beobachtet man zur Zeit sehr genau, wie es dem Nachbarn geht, und der eine oder andere Beobachter sieht eine Chance, das Steuer herumzureißen. Das Istanbuler Massenblatt Sabah zum Beispiel: „Alle im Land sollen sparen, aber die Verteidigungsausgaben werden nicht angetastet,“ schrieb Sabah am 7. März über die Griechen, „und mit dem eingesparten Geld will Athen sogar neue Waffen kaufen. Kriegschiffe und Jets in Frankreich.“
Und dann kommt ein bemerkenswerter Vorschlag, Töne, wie man sie so noch nicht oft gehört hat: „Man könnte doch den Rüstungswettlauf zwischen Griechenland und der Türkei einfach beenden. Mit Investitionen in Kriegsgeräte gewinnen beide Länder nichts. Besser wäre es, in die Freundschaft zu investieren, wie der türkische Ministerpräsident Erdogan vorschlug. Wie das geschehen soll? Die Türkei könnte doch Griechenland aus der Liste der Bedrohungen streichen. Wenn Athen das Gleiche tut, wäre das ein praktikabler Schritt. Dann könnten beide Länder wie Deutschland und Frankreich ihre Feindschaft vergessen und eine Schicksalsgemeinschaft bilden.“
Eine wunderbare Vision, zugleich ein Schlag ins Kontor der Waffendealer in Berlin und Paris. Merkels Chefverkäufer Westerwelle würde weinen, wenn’s war würde, aber das soll uns ja nun am wenigstens betrüben. Fragt sich nur, was die mächtigen militärischen Eliten in Athen und Ankara von solchen schönen Zukunftsträumen halten.
NRhZ Nr. 241 vom 17.03.2010