Vor allem mit Waffen

Wie “unsere“ Konzerne und Regierung den Griechen in die Pleite halfen

Schlimmes vermelden deutsche Medien einmal mehr aus Griechenland: die undankbaren Hellenen, statt sich über das angebliche Milliardenopfer der deutschen Steuerzahler zu freuen, streiken und demonstrieren und machen alles zunichte, was der willige Landesvater Jorgos Papandreou mit den Mächtigen von WWF und EU gerade ausgehandelt hat, um das Land aus der Schuldenfalle zu befreien.

Die Mehrheit der gebeutelten Hellenen resigniert

Ja, sie streiken, und demonstrieren tun sie auch, über 100.000 Bürger gingen am Mittwoch in Athen auf die Straße, mehr als je zuvor seit dem Sturz der Militärjunta 1974. Die mörderische Militanz einer kleinen Gruppe Vermummter allerdings, die Bilder der mit einem Molotow-Cocktail in Brand gesteckten Filiale der Marfin-Bank, die um die Welt gingen, der tragische Tod der drei Bankangestellten, darunter eine im dritten Monat schwangeren Frau, all das hatte mit der Entladung des Zorns der Opfer des von WWF und EU erzwungenen Austerity-Programms auf dem Syntagma-Platz nichts zu tun. Die Täter kamen aus den Reihen jener hundert bekannten Unbekannten, die am Rande jeder Demo in Athen ihr Spiel treiben, mit Eisenstangen und Benzinflaschen in der Hand, oft unter den Augen der Polizei.

In jedem Fall sollten die Bilder vom Aufstand der Volksmassen in Athen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mehrheit der gebeutelten Hellenen resigniert und schweigend die Suppe auslöffeln zu wollen scheint, die ihnen eine korrupte politische Klasse samt ihrer Klientel angerichtet hat. Sie weiß, was sie von den vollmundigen Versprechungen der Regierung zu halten hat, die Reichen, die Steuerflüchtlinge mit den Luxusvillen und den Superjachten zur Kasse zu bitten und die Arbeiter, die Rentner und kleinen Angestellten glimpflich davonkommen zu lassen, aber sie findet sich drein.

Abkassieren bei Arbeitern, Angestellten, Beamten und Rentnern

An das Geld der eigentlichen Profiteure des von den „Sozialisten“ der Regierungspartei PASOK und der konservativen „Nea Dimokratia“ im Wechsel getragenen Systems, diesem nicht zuletzt von deutschen Konzernen aktiv gepflegten korrupten Politbiotop, wird auch die zur Zeit amtierende Partei nicht herankommen. Abkassieren wird die Regierung Papandreou jetzt, zunächst einmal, woanders, bei Arbeitern, Angestellten, Beamten und Rentnern (bei einigen ja auch durchaus zu Recht). Dass die PASOK den Vermögensmillionären mit ihren schwarz gebauten Luxusvillen, den korrupten Politikern mit ihren fetten Schwarzgeld-Bakschisch-Konten in der Karibik überhaupt in die Tasche greifen wolle – daran glaubt der Mann auf der Straße nicht, weil es, vor allem, die eigenen Leute sind, die sich in den letzten Jahrzehnten so schamlos bereichert haben.

Wie manche dieser märchenhaften Vermögen entstanden sind, darüber informieren sich dieser Tage einmal mehr deutsche Staatsanwälte in den Geschäftsbüchern deutscher Rüstungskonzerne, ohne dass dies übrigens beim deutschen Medien-Mainstream (mit Ausnahme des  unermüdlichen Recherche-Teams Leiendecker-Ott von der Süddeutschen Zeitung) auf Interesse stieße. Auf Bakschisch-Belege über 83 Millionen Euro stießen Münchner Strafverfolger dieser Tage allein bei der auf Schmiergeld-Platzierung spezialisierten Firma Ferrostaal, einer ehemaligen Mannesmann-Tochter, im Zusammenhang mit dem Verkauf von vier U-Booten des Typs 214 an die griechische Kriegsmarine (einem beinahe an technischen Defekten des Prototyps gescheiterten Milliarden-Geschäft, für dessen Rettung Angela Merkel noch mitten in der schon voll ausgebrochenen Athener Kreditkrise sorgte – auf Betreiben des schleswig-holsteinischen Wirtschaftsministers Jost de Jager). Und aus den vier U-Booten sind im letzten Moment in verdächtiger Eile noch sechs geworden, bevor die Herren Kontrolleure vom IWF noch hätten Anstoß nehmen können an dem großen Deal.

Hart aber unfair

Wie Ferrostaal die „nützlichen Aufwendungen“ an die hellenischen U-Boot-Besteller mit und ohne Uniform zu bringen pflegte, zu Regierungszeiten der „sozialistischen“ PASOK, darüber berichtet seit Wochen in einer Fortsetzungsstory unwidersprochen der Antikorruptionsspezialist der Athener Tageszeitung Kathimerini, Tassos Telloglou. Und weil, wenn im deutschen Fernsehen, zum Beispiel bei der unerbittlichen Kölner Sendung „Hart aber fair“, jemand wie der griechischstämmige Lindenstraßen-Gastronom Kostas Papanastassiou ein Wort dazu verlieren möchte, der Moderator ihm alsbald unfair das Wort abschneidet, und weil das Tabu-Thema auch in den vielen anderen Griechenland-Fernsehrunden dieser Tage elegant umfahren wird, hier ein paar Beispiele:

Seit die deutschen Konzerne ihre Bakschisch-Gaben nicht mehr einfach als gebündeltes Bares an den Empfänger bringen können, weil derlei so nicht mehr steuermindernd geltend gemacht werden kann und zudem neugierige Staatsanwälte ihre Nase seit einiger Zeit  in alles stecken, ist allerlei Phantasie angebracht. Und geschmiert wird dann z.B. so, wie das im Fall des Athener U-Boot-Deals jetzt langsam ans Licht der attischen Sonne kommt: Die (bis vor kurzem mehrheitlich im Besitz der Firma Thyssen-Krupp befindliche) Kriegsschiffwerft von Skaramangas (Piräus) überweist die Gleitcreme in Millionen-Portionen als Beraterhonorare an eine Consulting-Firma namens Shiraz Marine PVT.LTD (Limited) in Neu Delhi, für gute Dienste bei der Pflege der Geschäftsbeziehungen des Schiffbauers in Asien (so, z.B., am 14. Januar 2005 1,9 Millionen €). Einen Monat später findet sich ein Zahlungsbeleg über die gleiche Summe an dieselbe indische Gesellschaft für die angebliche Pflege guter Geschäftsbeziehungen mit einer Reihe lateinamerikanischer Länder: Argentinien, Chile, Peru und Venezuela. Ein bisschen Humor legen die phantasievollen Schmiergeldverteiler dabei auch an den Tag (oder ist es schlicht geographische Ahnungslosigkeit?), wird doch auch dem (jedenfalls bis heute) küstenlosen Bolivien ein dringendes Interesse an Kriegsschiffen zugeschrieben. Ein anderes Beispiel: Im Oktober 2004 spendet die Werft ein Beraterhonorar in Höhe von 1,3 Mllionen € an eine Gesellschaft mit Sitz auf den niederländischen Antillen, die Sidewind Investments. Überwiesen, wie die anderen Beträge auch, auf ein Konto bei einer Genfer Filiale des Bankhauses BNP Parisbas, ein Geldinstitut, bei dem, ganz zufällig, auch etliche Griechen ihre Konten unterhalten. Ein Schelm wer Böses dabei denkt (oder, vielleicht jetzt, ein Staatsanwalt).

Großzügige deutsche Bakschisch-Spender

Und weil auch im Panzergeschäft seit jeher ohne Gleitcreme nichts läuft, war in Griechenland seit jeher jedermann klar, dass beim Kauf einiger hundert der neuesten Kampfwagenmodelle aus dem Hause Krauss-Maffei Wegmann (Typ Leopard 2-HEL) ebenfalls etliche Millionen abgefallen sind für die Besteller. Auch hier sind vor ein paar Tagen erste Zahlen bekannt geworden, um einige zehn Millionen geht es hier bislang,es fehlen nur noch die Namen der Beglückten. Die großzügigen deutschen Bakschisch-Spender sind jetzt in der Bredouille, aber soweit es sich bei den Hellenen mit den offenen Händen um ehemalige Verteidigungsminister von PASOK und Nea Dimokratia handeln sollte, so haben diese nichts zu befürchten – nach dem einschlägigen griechischen Gesetz, einer Maßanfertigung, die ziemlich penetrant nach Berlusconi riecht, ist alles verjährt, und die schwarze Knete ruht, unversteuert versteht sich, irgendwo unter karibischer Sonne. Aber wenn passive Bestechung verjährt ist, so meinen manche Griechen im Scherz, so könnte doch wenigstens, wie einst im Falle Al Capone, das Steuerrecht den Verdächtigen zum Verhängnis werden.

In Athen fragt sich derweil der kleine Mann auf der Straße: Wo bleibt wenigstens die Kürzung der Apanagen für die Abgeordneten im Athener Parlament (200 000 Euro kosten die pro Jahr und Parlamentär)? Und: Wofür brauchen wir eigentlich 300 davon in unserem kleinen Land? Und: warum rückt eigentlich die steinreiche Kirche nicht ein paar ihrer riesigen Liegenschaften raus, zum Segen des Vaterlandes, statt damit fleißig Monopoli zu spielen? Während wir bald nicht mehr genügend Euros haben, um unseren Kummer mit dem immer teureren Ouzo herunter zu spülen? Fragen über Fragen.

Insel an die Russen verpachten?

Mit Interesse aufgenommen wird einstweilen eine ungewöhnliche Idee der Boulevard-Zeitung Avriani, der Bild-Zeitung der Griechen, für einen weniger schmerzhaften Ausweg aus der Schuldenkrise. Die Idee ihrer deutschen Schwesterpostille aufgreifend, die Griechen mögen doch ein paar ihrer 1000 unbewohnten Inseln verkaufen, dachte sie sich eine originelle Variante aus. Verkaufen müssen wir unsere Eilande ja nicht gleich, meint man bei Avriani – aber verpachten vielleicht? Zum Beispiel an die Russen? Man dachte offenbar an einen uralten Moskauer Wunschtraum aus der Zarenzeit: ein Anker-Platz am warmen Mittelmeer. Leihen wir den Russen eine Insel, schlagzeilte Avriani also in ihrer letzten Sonntagsausgabe in Balkenlettern, und darunter steht, zu welchem Zweck: als Militärbasis, und dies gleich für 100 Jahre. Aber ganz umsonst natürlich nicht. Hat nicht vorgestern, heißt es dann weiter, Russland der Ukraine 40 Milliarden gezahlt als 25-Jahres-Pacht für die Weiternutzung ihrer Marinebasis am Schwarzen Meer? Wie wär’s dann mit 100 Milliarden für Griechenland?

Vom Ende der Militärausgaben keine Rede

Was ja einen, in der Zeitung nur zwischen den Zeilen zu lesenden Vorteil hätte: jenen Schutz vor einer möglichen Invasion aus der Türkei, den die NATO ihrem Mitglied Griechenland nicht garantieren will. Und damit: Ein Ende der astronomischen Militärausgaben, von deren Fortsetzung auch in Zeiten des gerade noch einmal aufgeschobenen griechischen Staatsbankrotts Merkel und Westerwelle höchst selbstverständlich auch weiterhin ausgehen – von einem Ende dieser Milliardengeschäfte war jedenfalls nicht die Rede im Zusammenhang mit den Grausamkeiten, die die Kreditgeber dem kleinen Mann in Griechenland jetzt zumuten wollen.

Aber dass Premier Jorgos Papandreou über solch einen Vorschlag auch nur nachzudenken sich traute, das glaubt indessen kaum jemand. Auch wenn sein Vater Andreas einst lautstark skandierte: „EU und NATO, das gleiche Syndikato“. Um allerdings alsbald mit dem „Syndikat“ seinen Frieden zu machen, als er an der Macht angelangt war.

NRhZ Nr. 248  vom 06.05.2010