Big Business mit dem Bankrotteur

Hellas ist pleite, so lesen wir landauf landab, so hören wir tagaus tagein, und jetzt trägt Berlin Euros nach Athen, jammert die Financial Times. Doch wie pleite ist Athen wirklich? Und was wollen die im dezenten Nadelstreif gekleideten Herren mit den Aktenköfferchen eigentlich, die dem griechischen Verteidigungsminister Venizelos tagaus tagein die Türen einrennen (die Vertreter von Krauss-Maffei Wegmann zum Beispiel, die den Hellenen noch vor kurzem 170 Kampfwagen vom Typ Leopard 2A6 HEL angedreht haben, das beste und teuerste, was die Firma zu bieten hat)?
Und hat nicht der deutsche Außenminister bei seinem Athenbesuch die Griechen kürzlich an die Einlösung eines alten Kaufversprechens erinnert: den Erwerb von 60 Kampfflugzeugen des Typs Eurofighter beim Konsortium EADS? Haben nicht Verteidigungsminister zu Guttenberg und seine Amtskollegen aus London und Paris, Bob Ainsworth und Hervé Morin, bei der letzten NATO-Ratssitzung in Istanbul ebenfalls mit ihrem Athener Kollegen gewisse Promotion-Gespräche geführt?

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Guttenberg, Ainsworth, Venizelos (v.l): „Verteidigungsminister“ in Istanbul – nach dem Familienfoto wird geklüngelt | Foto: NATO

Und weiter: Wie letzte Woche bekannt wurde, haben der griechische Ministerpräsident Papandreou und Frankreichs Staatspräsident Sarkozy sehr konkret über die Ablösung der griechischen Mirage-Geschwader durch Kampfjets vom Typ Rafale verhandelt (was hinwiederum die EU-Konkurrenten vom Eurofighter-Konsortium und den Chef des EADS „ Military Air Systems“ Bernhard Gerwert wurmt, auch die IG Metall, die sich um eine Menge Arbeitsplätze am bayrischen Standort Manching sorgt), der Kauf französischer Helikopter (Super-Puma und NH-90) war ebenfalls im Gespräch, wie die Athener Tageszeitung To Ethnos berichtet. Damit nicht genug, macht sich der Generaldirektor der französischen Staatswerft DCNS, Patrick Boissier, nach einem Besuch beim griechischen Verteidigungsminister Evangelos Venizelos in der letzten Woche Hoffnungen auf eine baldige Lieferung von sechs Fregatten des Typs FREMM an die griechische Kriegsmarine.

Es winken also dicke Milliardengeschäfte mit den Bankrotteuren von Athen, die so bankrott doch gar nicht sind, wie’s scheint, wenn’s um die Rüstung geht. Und wenn sich besonders Deutschland und Frankreich dezent für eine großmütige EU-Hellas-Hilfe stark machen, dann geht’s da gewiss nicht nur um die griechischen Staatsanleihen in mehrstelliger Milliarden-Euro-Höhe, die in den Depots deutscher und französischer Banken der Abschiebung in eine Bad Bank harren. Besonders der Rüstungsexporteuropameister Deutschland (ein erster Platz, den Rot-Grün für die Exportnation erkämpfte) hat in Griechenland seit vielen Jahren einen der besten Kunden weltweit, und dabei soll es natürlich bleiben.

Und deshalb haben die Advokaten der no-bail-out-policy gegenüber Griechenland (auf gut Rheinisch: die Schweine trecke mer net us d’r Dreck) das Spiel längst verloren. Neben Berlin und Paris votierten natürlich auch die Italiener und die Spanier strikt gegen den no-bail-out-approach, hätten sie doch als Teilhaber am Eurofighter-Konsortium an der erhofften Lieferung jener 60 Eurofighter mitzuverdienen, für die die Regierung Simitis 2001 optierte.

Und natürlich nicht deshalb allein, gehören sie doch zu den im Börsen-Jobber-Jargon sogenannten pigs, den Schweinestaaten der EU. PIGS, so erfahren wir mittlerweile schon aus der bedeutendsten digitalen Enzyklopädie der Welt, das ist ein Akronym, von kalauernden angelsächsischen Bankern gebildet, aus den Initialen der finanziell schwächelnden Euro-Länder Portugal, Italien, Griechenland und Spanien. Die zoologische Definition dieses englischen Worts – ein Haustier aus der Gattung suidae, kommt bei Wikipedia erst an zweiter Stelle.

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Nuckeln am Finanzeuter: die sogenannten PIGS-Staaten Deutsche Fotothek, Grafik: C. Heinrici

Mancherlei Druck

Warum eigentlich diese fetten Rüstungsgeschäfte mit NATO-Griechenland? Weil die Ägäis seit Jahrzehnten ein Spannungsgebiet ist, in dem es schon mehr als einmal fast zum heißen Schlagabtausch mit dem NATO-Nachbarn Türkei gekommen wäre. Und da hat es schon manchen gewundert in den letzten Jahren, warum die EU es im Verlauf der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei am nötigen Druck vermissen lasse, den Kandidaten zu einer förmlichen Nichtangriffserklärung gegenüber dem zukünftigen EU-Nachbarn zu zwingen, anstatt ihm, im Streit um die Ausdehnung der Hoheitsgewässer in der Ägäis, permanent mit einer Casus-belli-Drohung gegenüberzutreten.

Es ist schließlich unter zivilisierten Nachbarn üblich, bei Streitigkeiten um Grundstücksgrenzen zum Friedensrichter zu gehen (hier: zum Internationalen Gerichtshof in Den Haag) anstatt ununterbrochen mit dem Colt zu fuchteln, wie im Wilden Westen, will sagen: fast täglich mit Kampfjets im Tiefflug über die griechischen Inseln zu donnern. Dagegen unterhält die griechische Luftwaffe eine Luftflotte von 300 Kampfjets, von denen ein großer Teil fast täglich in der Luft ist, um die Eindringlinge abzudrängen. Auch wenn es bei diesen dogfights zu Abstürzen kommt, macht Brüssel keinen Druck.

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Der Eurofighter: schluckt bekanntlich und doppelunsinnig eine Menge Euros | Grafik: C. Heinrici

Druck ausüben werde die EU auf Griechenland, um das Haushaltsdefizit zu senken, heißt es jetzt täglich eins ums andere Mal. Es drücken aber auch die Drücker von der Rüstungsindustrie, es geht schließlich um Arbeitsplätze. Seit Jahrzehnten wird da in Athen nicht gespart. Und welche Mengen Schmierstoff bei diesen Milliardengeschäften zum Einsatz kommen, hat vor fünf Jahren der Ex-EADS-Manager Michel Josserand vor einem Pariser Gericht angedeutet, und dagegen dürften die Siemens-Schmiermillionen eher Peanuts gewesen sein, um mit Banker Ackermann zu reden.

Fragt sich da noch jemand, warum gewisse Athener sich eher leiser Töne befleißigten, wenn es um die türkischen Tiefflüge über die ägäischen Inseln und die damit begründete ständige milliardenschwere Nachrüstung zur Abwehr der NATO-nachbarlichen Bedrohung ging? Gewöhnlich gut unterrichtete Athener empfehlen den Blick auf gewisse Luxusvillen gewisser Politiker. Mehr sei dazu eigentlich nicht zu sagen.

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Prämienreif? Rüstungsschrott in Griechenland | Foto: Eberhard Rondholz

Karnevalistische Nachbemerkung:

Wie aus einem vertraulichen Papier hervorgeht, das einem schlampigen Boten am vergangenen Rosenmontag vor der Tür des griechischen Generalkonsulats in Köln an der Venloer Straße 151 aus der Tasche fiel, haben Merkel und Sarkozy dem griechischen Ministerpräsidenten Papandreou für den Fall des Kaufs neuer Panzer und Kampfjets großzügige Abwrackprämien angeboten. Die Höhe sei Verhandlungssache.

NRhZ, 17.02.2010