Landschaftspflege

Siemens – Misens, mit diesem Anagramm machte sich unlängst die satirische Athener Wochenschrift »Pontiki« (Die Maus) über den Münchner Schmiergeldkonzern lustig. Misa, von französisch la mise, heißt in Griechenland sowohl der Autoanlasser als auch das Geld, das man beim Pokern auf den Tisch des Hauses legt. So nennt der Grieche aber auch und vor allem, was zumeist unter dem Tisch den Besitzer wechselt: das Schmiergeld.

Was der Athener Fernsehjournalist Tassos Telloglou dieser Tage zu berichten wußte, nachdem er den Ermittlern in München über die Schulter gesehen hatte, zwang die griechischen Staatsanwälte zu eigenen Recherchen und zu einem Erkundungsausflug dorthin. Mehr als 100 Millionen Euro habe Siemens, so heißt’s, auf den üblichen Offshore-Umwegen in den letzten 17 Jahren in griechische Taschen fließen lassen. Nicht gerade Peanuts für ein so kleines Land, auch nicht nach Ackermann-Maßstäben, aber doch wieder angemessen, mißt man’s an den Umsätzen von Siemens Hellas: 333 Millionen waren das allein im Geschäftsjahr 2007, teilte der Konzern kürzlich mit. Seit 100 Jahren hat Siemens in Griechenland unter anderem die Bereiche Kommunikation und öffentlicher Personenverkehr fest im Griff; kein Telefon klingelt im Land, keine Bahn, keine Metro fährt ohne Hardware des deutschen Konzerns. Da läßt man auch dann schon mal was springen, wenn’s nicht nur um den Einzelauftrag geht.

Auch die politische Landschaftspflege gehört dazu, nach Bonner Vorbild, wie vor 30 Jahren zu Zeiten der Lambsdorff und Brauchitsch: Beide bürgerlichen Parteien, die konservative Nea Dimokratia wie die neoliberale Pasok (die sich frech »sozialistische Bewegung« nennt) ließen ihren Wahlkampf 2004 von Siemens mitfinanzieren, wie jetzt ans Licht kam. In München wußte man schließlich nicht, wer nach den Wahlen Staatsbetriebe wie die Telefongesellschaft OTE kontrollieren würde.

Nun ist fast alles herausgekommen, es fehlen nur noch die Namen der Empfänger der schwarzen Marie. Die, so erfuhren die Athener Staatsanwälte aus der Presse, könnten sie bei den Münchner Kollegen erfragen. Vielleicht fragen sie dort auch mal nach, wer bei der Auftragsvergabe für die Sicherheitseinrichtungen im kürzlich eröffneten neuen Akropolis-Museum die Hand aufgehalten hat. Etwa jener Christos Zachopoulos, Exgeneralsekretär im Kulturministerium, der sich vor Weihnachten aus seiner Athener Wohnung im vierten Stock hat fallen lassen? Doch solcher Petitessen wegen versucht man sich in Griechenland nicht gleich umzubringen, da ging es wohl um eine dickere Geschichte. Und die wird der beleibte Mann demnächst, wenn wieder vernehmungsfähig, vielleicht selber erzählen.

Konkret 03/2008